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Rallarvegen „Bahnarbeiterweg“

Start: Finse | Ziel: Flåm
Länge: 54 km | HM: 1070 m | Radzeit: 4 Std. | Gesamtzeit: 5,5 Std.
Bewertung: ★★★★★

Heute schnüren wir nicht die Wanderstiefel, sondern werden in die Pedale treten: Der Bahnarbeiterweg Rallarvegen wird uns in die Hardangervidda in Norwegen entführen. Voller Vorfreude, aber auch etwas Bange steigen wir aus dem Zug aus. Wird die Strecke gut zu befahren sein? Oder müssen wir durch den Schotter viel schieben oder liegt gar noch Schnee am Pass?

Der 82 km lange Rallarvegen ist für den Bau der Bergensbahn angelegt worden und diente dem Transport von Arbeitern und Baumaterialien. Heute kann die Strecke von Haugastol bis nach Flåm am Sognefjord zu Fuß oder mit dem Fahrrad bestritten werden. Ihr könnt die gesamte Strecke fahren oder auch mittendrin beginnen.

Die Anreise erfolgt mit der Flåmsbana, welche bereits für sich ein Erlebnis ist. Wir entscheiden uns in Finse auszusteigen und rund 55 km nach Flam zurück zu radeln. Die Flåmsbana ist ein historischer Zug, der heute hauptsächlich Touristen transportiert. Die Fahrt sollte im Voraus reserviert werden, da an Tagen, an denen Kreuzfahrtschiffe in Flåm anlegen, der Zug völlig überlaufen ist.

Während der Fahrt informieren Bandansagen und Bildschirme auf Norwegisch, Englisch und Deutsch über die Sehenswürdigkeiten entlang der Strecke. Am Wasserfall Kjosfossen wird sogar ein fünfminütiger Halt eingelegt. Auf und rund um eine Ruine vor dem Kjosfossen tanzt eine Frau zu Musik. Diese Darbietung könnte erklären, warum der Fahrtpreis mit rund 1600 NOK für zwei Erwachsene, zwei Fahrräder und ein Kleinkind doch ziemlich hoch ist. Für uns ist die touristische Darbietung ein wenig zu viel. Dennoch gefällt uns die Fahrt durch das Flåmdal. Immer wieder sehen wir die Radstrecke, die wir gleich befahren werden. Die Vorfreude steigt.

Schieben an einem Anstieg
Schieben an einem Anstieg

Unser Sohn hat sich auf der Fahrt mit den Bediensteten der Bahn angefreundet und gerade mit einer jungen Frau ausführlich gespielt. Nach unserer Ankunft in Myrdal und dem Ausladen unserer Räder wird er von allen freundlich winkend verabschiedet. Wir steigen um in die moderne Bergenbahn, die uns die letzten Kilometer nach Finse bringt, welches wir uns als Startpunkt auserkoren haben. In Finse können auch Fahrräder geliehen und später in Flåm zurückgegeben werden.

Zuvor haben wir sehr viel über die Wegbeschaffenheit des Rallarvegen gelesen. Häufig lasen wir, dass bis in den Herbst hinein Schnee auf der Strecke liegen könnte und die geschotterte Straße häufig in so miesem Zustand ist, dass geschoben werden muss. Da wir unseren einjährigen Sohn dabei haben, waren wir bis zuletzt nicht sicher, ob wir es verantworten können in Finse zu starten oder doch besser einen kürzeren Abschnitt wählen sollten. Dies wäre aber nur das sehr kurze Stück von Myrdal zurück nach Flåm gewesen.

Anfang September 2023 erwiesen sich unsere Sorgen als unbegründet. Schnee ist nur in der Ferne zu sehen und nicht einmal in der Nähe der Radstrecke. Die Wege sind zwar bis auf die letzten Kilometer kurz vor Flåm geschottert, dieser ist jedoch größtenteils so fein und fest, dass er problemlos sicher befahren werden kann. Es gab nur zwei Anstiege, an denen wir lieber abgestiegen sind und jeweils weniger als hundert Meter geschoben haben.

Hochebene bei Finse
Hochebene bei Finse

Aus dem Zug ausgestiegen, radeln wir bei schönstem Sonnenschein über eine Hochebene im Nationalpark Hardangervidda. In der Ferne liegt der Gletscher Hardangerjokulen mit seinem weißen Eispanzer. Die Landschaft um uns herum ist karg. Zwischen Fels und Stein wachsen an den Boden geduckt niedrige Sträucher, wie Heide oder Blaubeeren. Es ist eine wasserreiche Gegend. Entlang von mehreren Seen radeln wir rund neun Kilometer zur höchsten Stelle der Route auf 1343 Meter: Dem See Fagervatnet.

Fagervatn (1.343 m) - höchster Punkt des Rallarvegen
Fagervatn (1.343 m) – höchster Punkt des Rallarvegen

Nun geht es tendenziell nur noch abwärts. Doch die regelmäßigen Gegenanstiege haben es in sich und sollten nicht unterschätzt werden. Immer wieder fliegt ein Hubschrauber über uns hinweg, der orange Säcke, die scheinbar mit Bauabfällen befüllt sind, aus dem Gebirge hinaus bringt.

Hubschrauber am Rallarvegen
Hubschrauber am Rallarvegen

Schon bald haben wir fast die Hälfte der Strecke zurückgelegt. Wir rasten auf einer Wiese an einem kleinen Wasserfall und genießen die Sonne. Wenige Radfahrer und zwei Spaziergängerinnen kommen an uns vorbei. Viele Radfahrer sind nicht unterwegs, aber doch so viele, dass man sich nie allein fühlt.

Kurz nach unserer Pause, etwas hinter Hallingskeid, rauscht das Gebirgswasser als reißender Fluss teils über Kaskaden neben uns. Der Rallarvegen wird hier mit einem Geländer gesichert. Das Wasser rauscht laut und die Atmosphäre ist wild. Wir kommen aus den „Oh, wie schön ist es hier!“- und „Gut, dass wir bereits in Finse gestartet sind!“-Bekundungen gar nicht wieder heraus.

Nach circa 30 Kilometern ändert sich nahe Vatnahalsen ziemlich schlagartig die Landschaft. Wir haben einige Höhenmeter verloren und recht plötzlich beschatten Bäume und feuchte Felswände unseren Weg.

Schon erreichen wir Myrdal. Wenn ihr mögt, könnt ihr von hier eine 1380 m lange Zipline ins Tal nehmen. Diese lässt auch eure Fahrräder hinunter ins Tal. Dafür kostet der Spaß unglaubliche 800 NOK! Unser Sohn ist ohnehin noch zu klein für solch eine Fahrt ist. Daher nehmen wir stattdessen weiterhin den Rallarvegen. 23 Haarnadelkurven führen extrem steil von Myrdal aus über vier Kilometer Strecke 350 m niedriger ins Tal. Gerade über diesen Streckenabschnitt hatten wir mehrfach gelesen, dass ein Großteil geschoben werden müsse. Die Strecke ist in der Tat herausfordernd und man sollte sein Rad gut beherrschen oder in den Kurven besser schieben. Derzeit ist die Straße jedoch in sehr gutem Zustand. Der Schotter sieht beinahe frisch plattgewalzt aus. Natürlich müssen wir viel bremsen, doch absteigen tun wir nur, um den Wasserfall zu betrachten, der direkt neben uns in die Tiefe fällt.

Nun sind deutlich mehr Radfahrer auf der Strecke. Viele kommen wohl mit dem Zug in Myrdal an, nutzen die Zipline und fahren den Rest mit einem Mietrad zurück nach Flåm.

Jetzt ist bereits ein Großteil des Abenteuers Rallarvegen vorbei. Etwa nach 44 Kilometern ist die Strecke asphaltiert. Inzwischen überholen uns ab und an Autos. Mehrfach queren wir die Schienen der Flåmbahn, treffen auch noch einmal auf den Zug und genießen Blicke auf den neben uns liegenden Fluss. Beinahe gemütlich erreichen wir die ersten Häuser von Flåm. An einer alten Kirche und einem roten Schulgebäude vorbei erreichen wir wieder den Bahnhof.

Der Rallarvegen ist eine tolle Möglichkeit mit dem Fahrrad die wilde norwegische Landschaft zu erkunden. Wir haben jede Minute genossen und würden diese Tour sofort erneut unternehmen.

Gesamtstrecke: 54268 m
Gesamtanstieg: 2400 m
Gesamtabstieg: -3591 m
Download file: Rallarvegen_Finse_nach_Flam.gpx

Info: Die Angaben der Höhenmeter werden leider nicht richtig angezeigt. Die Angabe unter dem Titel ist korrekt.

Diese Tour ist Teil eines Roadtrips durch Norwegen. Hier findest du die übrigen Wanderberichte aus Norwegen.

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